Nach fast zwei Jahre dauernden Streit über die Reform der Erbschaftssteuer haben sich die Spitzen von Union und SPD auf einen Kompromiss geeinigt, der Vergünstigungen für Erben von selbst genutztem Wohnraum und Familienbetrieben vorsieht. Die Neuregelung ist zum 1. Januar 2009 in Kraft treten. Immerhin werden in Deutschland pro Jahr zwischen 150 und 200 Milliarden Euro an Erben vermacht.
Höhere Freibeträge für enge Verwandte
Das neue Gesetz beinhaltet einen nahezu steuerfreien Generationenwechsel bei kleinen und mittleren Unternehmen sowie höhere Freibeträge für enge familiäre Erben bei höherer Steuerlast entfernter Verwandter. Geschwister, Freunde nichteheliche Lebenspartner, Nichten und Neffen, Onkel, Tanten müssen seit dem 01.01.2009 viel höhere Steuern zahlen als bisher. Mit einem Testament können Sie dafür sorgen, dass Ihr Nachlass so verteilt wird, wie Sie es wünschen, insbesondere unter Berücksichtigung der Steuerfreibeträge.
Übergangsphase: Wahl zwischen altem und neuem Recht
Für Schenkungen gilt das neue Gesetz erst ab dem 01.01.2009. Für die geltende Regelung bei den Erbschaftssteuern ist eine Übergangsphase geregelt. Erben, die 2007/2008 geerbt haben bzw. bis Inkrafttreten des Gesetzes geerbt haben, sollen wählen können, ob sie nach den bisherigen oder den neuen Vorgaben besteuert werden. Dieses Wahlrecht gilt allerdings nicht für die neuen Freibeträge. Für Schenkungen sieht das neue Recht dagegen kein Wahlrecht vor. In solchen Fällen ist somit das neue Recht bereits am Tag nach der Verkündung anzuwenden.
Wohnungsfreibetrag
Witwer, Witwen, eingetragene Lebenspartner und Kinder können ein Wohnhaus steuerfrei erben oder geschenkt bekommen, wenn sie dieses zehn Jahre lang weiter bewohnen. Eine Wertgrenze gibt es nicht. Für Kinder gilt, dass die Wohnfläche der elterlichen Immobilie nicht größer ist als 200 Quadratmeter. Für die darüber liegende Fläche greift sonst der persönliche Freibetrag von 400.000 Euro.
Pflege wird honoriert
Geschwister, Freunde und andere Mitglieder der Steuerklasse II und III können etwas mehr steuerfrei erhalten, wenn sie den Verstorbenen kostenlos gepflegt haben. Außer dem persönlichen Freibetrag sind in solchen Fällen jetzt noch weitere 20.000 EUR steuerfrei. Bisher blieben nur zusätzliche 5.200 EUR von der Steuer verschont, wenn die Pflege kostenlos oder nur gering vergütet war.
Damit derjenige, der Sie pflegt, den Freibetrag bekommt, müssen Sie im Testament festlegen, wie die Pflegeleistung angerechnet werden soll. Sie können sich z.B. daran orientieren, wie viel die gesetzliche Pflegeversicherung für Pflegedienste zahlt.
Freibeträge/Steuersätze der Erben
Die Freibeträge für nahe Angehörige:
- Ehegatten von bisher 307.000 EUR auf 500.000 EUR
- Kinder des Erblassers von 205.000 EUR auf 400.000 EUR und
- Enkelkinder von 51.200 EUR auf 200.000 EUR
- Eltern, Groß und Urgroßeltern der von 51.200 EUR auf 100 000 EUR
- sonstige Verwandte und Nichtverwandte von 10.300 EUR bzw. 5.200 EUR auf jeweils 20 000 Euro
- für eingetragene Lebenspartner 500 000 Euro.
Das ist für Ehegatten und Kinder beinahe doppelt soviel wie bisher. Die Grenzen der Tarifstufen werden zugunsten der Steuerpflichtigen nach oben geglättet.
Neue Steuersätze
Steuerpflichtiges Erbe bis …Euro | Steuersatz in % bei Steuerkl. I | Steuersatz in % bei Steuerkl. II | Steuersatz in % bei Steuerkl. III |
75 000 | 7 | 30 | 30 |
300.000 | 11 | 30 | 30 |
600.000 | 15 | 30 | 30 |
6 000 000 | 19 | 30 | 30 |
13.000.000 | 23 | 50 | 50 |
26 000 000 | 27 | 50 | 50 |
Über 26.000.000 | 30 | 50 | 50 |
Alte Steuersätze
Steuerpflichtiges Erbe bis …Euro | Steuersatz in % bei Steuerkl. I | Steuersatz in % bei Steuerkl. II | Steuersatz in % bei Steuerkl. III |
52 000 | 7 | 12 | 17 |
256.000 | 11 | 17 | 23 |
512.000 | 15 | 22 | 29 |
5 113 000 | 19 | 27 | 35 |
12.783.000 | 23 | 32 | 41 |
25 565 000 | 27 | 37 | 47 |
Über 25.565.000 | 30 | 40 | 50 |
Steuerklassen
Steuerkl. I | Erbfall | Schenkung |
Ehegatte | X | X |
Kinder, Stiefkinder | X | X |
Enkel, Urenkel | X | X |
Eltern | X | |
Urgroßeltern, Großeltern | X | |
Steuerkl. II | Erbfall | Schenkung |
Eltern | X | |
Urgroßelter, Großeltern | X | |
Geschwister | X | X |
Neffen, Nichten | X | X |
Schwiegereltern | X | X |
Geschiedene Ehegatten | X | X |
Steuerkl. III | Erbfall | Schenkung |
Alle anderen | X | X |
Unternehmensnachfolge
Für die Unternehmensnachfolge, vor allem bei kleinen und mittelständischen Unternehmen, soll eine Übergabe an die nächste Generation weitgehend steuerfrei bleiben. Das Erben von Firmen kann bei bestimmten Voraussetzungen steuerfrei bleiben. Bedingung ist, dass der Betrieb zehn Jahre lang fortgeführt wird und die Arbeitsplätze erhalten bleiben. Mindestens 90 Prozent des Betriebsvermögens müssen in der Produktion gebunden sein. Alternativ kann eine siebenjährige Haltefrist gewählt werden. Dann werden 15 Prozent des Betriebsvermögens versteuert. Das geerbte oder geschenkte Betriebsvermögen bewertet das Finanzamt neuerdings mit seinem Ertragswert und nicht mehr mit den niedrigeren Werten aus der Bilanz des Unternehmens.
Bundesverfassungsgericht forderte Reform
Die Änderung des Erbschaftssteuerrechts wurde durch eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 7. November 2006 notwendig. Die Verfassungsrichter sahen im bis dato geltenden Erbschaftssteuergesetz einen Verstoß gegen den Gleichheitssatz im Sinne des Grundgesetzes (Artikel 3, Absatz 1), da einheitliche Steuersätze auf unterschiedlich bewertete Vermögensgegenstände angewandt würden. Hintergrund ist, dass nach altem Recht Wertpapiere- und Barvermögen erbschafts- und schenkungssteuerlich mit dem Veräußerungspreis angesetzt wurden, während z.B. bei Grund- oder Betriebsvermögen nur 20 % bis 80 % des wahren Werts bei der Ermittlung der für die Erbschaft- und Schenkungssteuer relevanten Bemessungsgrundlagen Berücksichtigung fanden. Das Bundesverfassungsgericht forderte den Gesetzgeber auf, Betriebsvermögen, Grundvermögen, Anteile an Kapitalgesellschaften und land- und forstwirtschaftlichen Betrieben mit dem Gleichheitssatz des Grundgesetzes in Einklang zu bringen. Nunmehr legt das Finanzamt bei jeder Art von Vermögen 100 Prozent des Verkehrswertes für die Erbschaft- und Schenkungssteuer zugrunde, bei Immobilien wird also der volle Verkehrswert angesetzt.
Haben Sie 2007 oder 2008 geerbt, sollten Sie prüfen, ob die Besteuerung nach den neuen Regeln günstiger ist. Ausgenommen sind die Freibeträge, hier bleibt es bei den niedrigeren Beträgen.
Bei der Anfertigung Ihrer Steuererklärung helfe ich Ihnen gerne. Dabei fallen die selben Gebühren an, wie bei einem Steuerberater nach dem RVG i.V.m. dem Steuerberatervergütungsgesetz.
Besonders wenn eine umfangreiche Erbauseinandersetzung mit anwaltlicher Beratung erfolgt, hat hier der bearbeitende Rechtsanwalt bereits einen Überblick und es bietet sich an, die Korrespondenz mit dem Finanzamt mit zu übernehmen.
Insoweit wird darauf hingewiesen, dass dieser Artikel keine rechtliche Beratung ersetzt und der Einzelfall einer rechtlichen Prüfung bedarf.
Ruth-Christin Hölscher
Rechtsanwältin in Hannover